Der medizinische Blutegel — ein Erfahrungsbericht

Nach Lahmeitsuntersuchung und Beugeproben konnten wir noch immer keine schmerzbedingten Gangprobleme feststellen

Meine Kæti hält mich mit ihren 22 Jahren immer noch gut auf Trab. Nicht nur unter dem Sattel, sondern leider auch wenn‘s um ihre Gesundheit geht. Sie war schon immer sehr ranghoch, meist Leitstute und in ihrer aktuellen Herde findet sich immer ein Pferd, mit dem man um die Chefposition streiten kann. Bisher ging es jedes Mal glimpflich aus, aber vor 1 Monat hat sie dann doch mal einen Schlag abbekommen.
Die Folge war ein großes Haematom (Bluterguss) etwas unterhalb der linken Schulter, in Höhe des Ellenbogengelenks. Lahm ging sie nicht, trotzdem habe ich sie daraufhin geschont und nur leicht bewegt.
Ich habe natürlich sofort entsprechende Maßnahmen eingeleitet, wie kühlende Umschläge, Arnica und noch einiges mehr. Auch nach einer guten Woche war noch keine Veränderung zu sehen — also habe ich meiner Tierärztin Bescheid gegeben.
Nach Lahmeitsuntersuchung und Beugeproben konnten wir noch immer keine schmerzbedingten Gangprobleme feststellen. Trotzdem wollte meine Tierärztin auf Nummer sicher gehen und mit Ultraschall bestätigen, dass es sich um ein Haematom handelt und mit einer Röntgenaufnahme, dass das Ellenbogengelenk unbeschädigt ist – die Diagnose blieb also die Gleiche. Ich war erst mal ratlos, nachdem alle Anti—Haematom Therapien ohne Wirkung waren. Meine Tierärztin ist eine klassische Schulmedizinerin, aber offen für neue Ideen und Therapieansätze, die ich ihr aus meiner Tierheilpraktiker-Ausbildung immer so mitbringe. Dieses Mal hat sie mich dann überrascht, als sie sagte „dann versuchen wir es mit Blutegeln“. Super — Ich wollte das eh schon lange einmal ausprobieren. 🙂

Kurz ein paar Fakten zum medizinischen Blutegel — Hirudo medicinalis 

Die in Europa, Asien und Nordafrika vorkommende Egelart lebt im Süßwasser und ernährt sich von tierischem aber auch menschlichem Blut.
Ausgestreckt ist ein Blutegel bis zu 15cm lang. Sie sind Zwitter und werden bis zu 30 Jahre alt. Nach einer Blutmahlzeit können sie bis zu 2 Jahre ohne Nahrung leben.
Sie besitzen am Schwanzende eine Saugplatte und am Kopf 3 Kieferleisten mit je 80 Kalkzähnchen. Damit können sie ganz leicht durch die Haut dringen – auch durch die dicke Pferdehaut. Dank des Hirudins in ihrem Speichel wird eine Blutgerinnung verhindert. Zusätzlich werden mit dem Speichel über 38 verschiedene Enzyme und Stoffe, mit unterschiedlichen, therapeutisch und medizinisch relevanten Wirkungen, in die Wunde injiziert.
Seit Jahrhunderten werden Blutegel eingesetzt um den Körper zu entgiften, den Lymphfluss anzuregen und Arthrosen zu behandeln. Des Weiteren wirkt der Blutegelspeichel antithrombotisch, gerinnungs- und entzündungshemmend, kann bei Venenentzündungen eingesetzt werdend, zur Narbenentstörung und vielem mehr. — und natürlich bei Kæti‘s Haematom.

Wie ging es also weiter

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Tag 1
Am nächsten Tag kam meine Tierärztin mit leider nur einem einzigen Egel (am Tag zuvor wurden einige in der Klinik verwendet), um mir zu zeigen wie man die Tierchen ansetzt. Dummerweise war das dann gar nicht so einfach. Der Egel „Xaver“ ist ihr nicht nur einmal entwischt und daher immer wieder auf den Boden gefallen, der arme Kerl. Nach ein paar Versuchen meiner Tierärztin hab ich mein Glück versucht und schon hatte er sich festgesaugt. Leider viel er dann ungetaner Dinge nach 45min ab — kein Wunder mit so einem  Schleudertrauma. Also habe ich ihn zurück in sein Glas gesetzt und ihn in meinen dunklen und ruhigen Schrank am Stall gesellt. Morgen ein nächster Versuch.

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Tag 2
Auch am nächsten Tag wollte „Xaver“ einfach nicht mehr. Also habe ich bei unserer Apotheke 4 „frische“ Egel bestellt, die dann auch 3 Tage später da waren.

Ich hatte bereits ein Glas für die Egel hergerichtet – dazu einfach ein großes Einweckglas mit ein paar Kieselsteinen füllen, alles vorher abkochen und abkühlen lassen. Anschließend bis zur Hälfte mit frischem, lauwarmen Wasser füllen. Dann die Egel rein, die Öffnung mit Mullbinden oder einem Leinentuch abdecken und mit einem Küchengummi befestigen. Die Egel mögen es kühl, dunkel und ruhig, also am besten das Glas mit einem weiteren Geschirrtuch abdecken und an einen ruhigen, kühlen Ort stellen. Wichtig zu wissen – alle 4 Tage muss das Wasser gewechselt und das Einweckglas samt Steine abgekocht werden.

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Tag 3
Nun kam der große Tag- mit zwei neuen Egel im Gepäck, „Xaver“ durfte sich noch weiter erholen, ging’s zum Stall. Kæti‘s Bein habe ich an der Stelle nochmal rasiert, um den Egeln das Festsaugen zu erleichtern. Dann bin ich mit ihrem Transportbehälter direkt an die rasierte Stelle und schwuppdiwupp hatten sie sich schon festgesaugt. Dann war Warten und Geduld angesagt.
Max und Moritz“ hatten ordentlich Hunger und ließen sich auch von Kæti’s Zucken nicht stören. Wenn Blutegel saugen ist das weniger schmerzhaft, vielmehr spürt man ein leichtes Ziehen.
Nach nur 1h war Egel Nr.1 satt. Egel Nr.2 „Max“ war dann erst nach über 2h fertig.
Während der Behandlung mit Blutegeln kommt es zu vermehrter Blutung – darauf muss man vorbereitet sein. Es hat keinen negativen Einfluss auf die Heilung, ganz im Gegenteil. Durch die Blutung wird die Wundheilung noch zusätzlich angeregt.

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Nach getaner Arbeit durften die beiden zurück in ihr Transportglas mit frischem Wasser. Kaum zuhause kamen „Max und Moritz“ in 2 neue, bereits vorbereitete Gläser. Das Separieren ist wichtig, da Egel sich übergeben können und sie nach ihrer Mahlzeit viel Ruhe brauchen.
Ja ich habs anfangs auch nicht geglaubt, aber Blutegel sind sehr sensibel – daher hat „Xaver“ auch bis zum Schluss nicht gebissen.
Dann hieß es erst einmal wieder Warten. Zwischen den Blutegel-Behandlungen sollten mindestens 2 Wochen liegen.

Tag 6
Also 3 Tage nach der ersten erfolgreichen Behandlung mit „Max und Moritz“ kam es bei Kæti zu einer erneuten Entzündungsreaktion, dieses Mal auch mit einer leichten Lahmheit. Dank diverser Mittel und wieder kühlender Umschläge war bereits am nächsten Tage keine Lahmheit und auch keine Schmerzreaktion erkennbar.
Während der Wartezeit bewegte ich Kæti wie gewohnt – es gab keinerlei Einschränkungen durch die „Beule“ und auch keine nachfolgende Lahmheit mehr.

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Tag 14
Bei der zweiten Behandlungsrunde hatte ich zwei ganz fixe Egel – meine „Speed-Egel“ die „Flotte Lotte und Wilde Hilde“ 😉
Die Damen waren bereits nach 10min vollgesaugt. Die Geschwindigkeit, mit der die beiden Blut gesaugt haben, war scheinbar nicht sehr angenehm – Kæti hatte ein paar Mal versucht die Egel zu beißen. Aber sie musste ja dann eh nicht all zu lange durchhalten – auch ich war froh, dass ich nicht wieder 2h warten musste.

Mittlerweile sind seit Beginn der ersten Behandlung 3 Wochen vergangen und das Haematom hat sich schon deutlich verkleinert – da es schon eine ordentliche Größe hatte, finde ich die Entwicklung super und freue mich darauf, den Hirudo medicinalis in mein Angebot als baldige Tierheilpraktikerin und Physiotherapeutin aufzunehmen und seine vielseitige Einsatzmöglichkeiten bei meinen Hunde-, Katzen- und Pferde- Patienten nutzen zu können.

Meine sehr liebe Kommilitonin und Freundin Angelika Zanggl, habe ich durch meine Erzählungen und Erfahrungsberichte mit den Egelchen richtig „heiß“ gemacht, sodass sie die Egel mittlerweile auch nutzt, um die OCD ihrer Rottweiler Hündin „Thaila“ zu behandeln. Danke Angy für die Bilder 🙂


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